Moderne Kanzleimodelle: Remote Work & Workation in der Steuerberatung


Eine Anwältin, die für eine deutsche Kanzlei 3 Monate im Jahrs aus Portugal arbeitet oder ein Steuerberater, der dauerhaft im Ausland lebt, aber für Mandanten in Deutschland tätig ist? Ja, das gibt es tatsächlich!

Denn immer mehr kursieren im Netz Stellenanzeigen, die explizit Home-Office Reglungen im Titel haben. Sog. Remote Work, also arbeiten über die Entfernung scheint damit nicht mehr nur ein Phänomen aus der IT-Branche oder Start-Ups, sondern auch in der Steuerbranche angekommen zu sein. Im heutigen Fachbeitrag berichten wir über die Möglichkeiten, die Kanzleiinhaber ihren Angestellten eröffnen können, um ihren Arbeitsalltag und vor allem ihren Arbeitsort noch flexibler zu gestalten.

Weg von klassischen Strukturen, hin zu Remote Work und Workation

Waren Bestrebungen der Angestellten, vorübergehend oder dauerhaft ins Ausland überzusiedeln und dennoch den Job zu behalten einst noch undenkbar, eröffneten sich mit der Corona-Pandemie sowie der sich rapide entwickelnden Informations- und Kommunikationstechnik bedeutende Möglichkeiten, neue Arbeitsmodelle einzuführen.

Zahlreiche Start-Ups locken Jobsuchende mit Remote Work oder sog. Workation Angeboten. Doch das ist nicht alles, gerade in Steuer- und Anwaltskanzleien sind die Angestellten spätestens seit der Pandemie vermehrt aus dem Home-Office tätig – und das sehr erfolgreich. Doch hier gilt es auch, rechtliche Voraussetzungen zu erfüllen.

Rechtliche Voraussetzungen für Remote Work

Wie sich das Arbeiten aus der Ferne am besten und rechtssichersten umsetzen lässt, ist gerade für kleine und mittelständische Kanzleien nicht immer einfach zu beantworten. Denn die Rechtsvorschriften sind komplex und die internen Ressourcen für die Umsetzung derartiger Arbeitsmodell nicht selten sehr beschränkt. Betroffen sind bei Remote Work oder Workation in erster Linie die Rechtsgebiete um Lohn-/ und Steuerrecht, Sozialversicherungsrecht, Arbeitsrecht und Aufenthaltsrecht. Da kommen demnach einige Bereiche und Paragrafen zusammen, die es zu kennen und beachten gilt.

Steuerrechtliche Voraussetzungen

  • Arbeitgeber führen die Lohnsteuer in der Regel direkt vom Bruttolohn ihrer Mitarbeiter an das Finanzamt ab – gibt dieser seinen Wohnsitz in Deutschland jedoch auf, stellt sich die Frage, ob der deutsche Staat dann noch ein Recht zu Besteuerung des Arbeitseinkommens hat. Das hat zur Folge, dass der betroffene Mitarbeiter nur noch beschränkt steuerpflichtig ist. Ggf. entfällt die Steuerpflicht in Deutschland komplett.
  • Wird eine Freelancer im Ausland beauftragt, ist auch hier von einer beschränkten Steuerpflicht des Betroffenen in Deutschland auszugehen. Gleichzeitig ergibt sich hier die Pflicht zum Steuerabzug für den Auftraggeber, d.h. den Arbeitgeber.

Tipp: Arbeitgeber sollten sich im Vorhinein bewusst machen, ob ein (Lohn)Steuerabzug vorgenommen werden muss oder ob eine Befreiung von der Steuerabzugsverpflichtung über einen Freistellungsbescheid vom Finanzamt eingeholt werden muss. Je nach Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Deutschland und dem jeweiligen Staat gibt es hier Unterschiede.

Sozialversicherungsrechtliche Voraussetzungen

  • Ob das deutsche Sozialversicherungsrecht Anwendung findet, hängt in erster Linie davon ab, ob der Arbeitnehmer/ Freelance seinen Wohnsitz in Deutschland hat oder ob die Beschäftigung/ selbstständige Tätigkeit in Deutschland ausgeübt wird. Denn arbeitet der Angestellte im europäischen Ausland und hat dort auch seinen gewöhnlichen Wohnsitz, greift das Sozialversicherungsrecht des jeweiligen Staates.
  • Übt der Betroffene seine Tätigkeit sowohl in Deutschland als auch in einem weiteren EU-Mitgliedsland aus, ist entscheidend, in welchem Land er den ‚wesentlichen Teil‘ der Tätigkeit ausübt.
  • Es ist auch möglich, Ausnahmevereinbarungen mit den zuständigen Behörden der betroffenen Staaten zu schließen, die regeln, welches Sozialversicherungsrecht konkret Anwendung finden soll. Das diese Ausnahmeregelungen jedoch nur individuell zu verhandeln sind, sollte im Vorhinein eine klar definierte Home-Office Policy innerhalb der Kanzlei aufgestellt werden
  • Freelancer stehen, im Unterschied zu Angestellten, selbst in der Verantwortung, sich sozialversicherungsrechtlich abzusichern.

Tipp: Arbeitgeber, deren Angestellte den Wunsch hegen, Remote Work im Ausland zu betreiben, sollten sich im Vorhinein über eine kanzleiinterne Home-Offce Polcy Gedanken machen und mit dem/ der Betroffenen klar definieren, wie die Entsendung ins Ausland gestaltet werden soll.

Aufenthaltsrechtliche Voraussetzungen

  • Im Unterschied zu den obigen Rechtsgebieten werden aufenthaltsrechtliche Fragestellungen nur dann relevant, wenn ein Arbeitgeber vorhat, einen Angestellten in einen Drittstaaten zu übersenden.

Tipp: Möchten Arbeitgeber einen Angestellten aus dem nicht-europäischen Ausland beschäftigen, der seiner Tätigkeit jedoch ausschließlich per Remote Work nachgeht, bietet das den Vorteil, dass der/ die Betroffene nicht über lange Visaverfahren nach Deutschland gebracht werden muss.

Die hybride Steuerkanzlei

Alles digital? Schön wärs… Doch leider lassen sich nach wie vor nicht alle Bereiche der Steuerberatung virtuell abbilden – im Gegenteil, gerade die Beratung der Mandanten ist von persönlichem Kontakt geprägt.  Aus diesem Grund hat sich insbesondere in den letzten Monaten und Jahren das Modell der hybriden Steuerkanzlei etabliert. Denn hiermit lassen sich Tradition und Innovation optimal miteinander vereinbaren.

Einige Kanzleien handhaben es bspw. so, dass Beratungsgespräche persönlich und vor Ort abgehalten werden, die Bearbeitung der Dokumente und Unterlagen jedoch stets aus dem Home-Office erfolgt. Voraussetzung für Letzteres ist natürlich, dass die Grundsätze, die auch im Büro vor Ort gelten stets eingehalten werden, d.h. Verschwiegenheit, Dokumentation der Leistungen, klare Anwesenheitszeiten und Erreichbarkeit müssen gegeben sein. Demnach muss auch die Kommunikation reibungslos funktionieren: Telefone werden umgeleitet und auch intern stehen Kommunikationsmöglichkeiten zur Verfügung. Ebenso muss der Arbeitsplatz im Home-Office gleich wie im Büro vor Ort ausgestattet sein. Jeder Angestellte im Home-Office, ganz gleich ob im Home-Office zuhause oder im Ausland, sollte außerdem ein gewisses Know-how in Bezug auf virtuelle Kommunikation besitzen – denn nur so kann reibungslos gearbeitet werden.

Eine weitere Möglichkeit, das Prinzip einer hybriden Steuerkanzlei umzusetzen, besteht darin, Home-Office wochenweise zu realisieren. Teilen sich mehrere Mitarbeiter ein Büro, bekommt jeder wochenweise im Wechsel die Möglichkeit, im Home-Office bzw. remote zu arbeiten.