Flexible Arbeitszeiten? Ja, das geht auch in der Steuerkanzlei


Wie unser letzter Artikel zum Thema remote Work bereits bewiesen hat, sind neue Arbeits- bzw. Arbeitszeitmodelle seit dem Beginn der Corona-Pandemie im Jahr 2020 aus der Arbeitswelt nicht mehr wegzudenken. Das gilt auch für die Steuerbranche, die lange Zeit an den traditionellen Arbeitszeiten, sprich nine-to-five festhielt.

Doch auch hier hat sich in den vergangenen Jahren und Monaten ein Wandel vollzogen, nicht nur was den Arbeitsort, sondern auch was die Arbeitszeit angeht! Und das mit gutem Grund, denn nicht nur hat die Pandemie Arbeitnehmern wie Arbeitgebern neue digitale Möglichkeiten verschafft, vielmehr auch der wachsende Wettbewerb, gepaart mit dem bundesweiten Fachkräftemangel, ein Umdenken bzgl. klassischer Modelle mit sich gebracht. Denn Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von heute (und Morgen!) haben Ansprüche an ihren Arbeitgeber und werden diese nicht erfüllt, fällt die Entscheidung leicht, sich nach einer Alternative umzusehen, denn die Nachfrage ist da. Eine Anforderung heutiger Angestellter ist bspw. die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie, sodass durch eine bessere work-life-balance mehr Lebensqualität erreicht wird. Wie sich das am ehesten umsetzen lässt? Einerseits mit remote Work andererseits mit flexiblen Arbeitszeiten.

Doch wie lassen sich flexible Arbeitszeiten in der Steuerkanzlei implementieren? Dieser Frage gehen wir im heutigen Fachbeitrag näher auf den Grund.

Flexible Zeitmodelle: Gleitzeit, Jahresarbeitszeit & Co. Im Überblick

Wie bereits eingangs erwähnt, führt der Weg zunehmend weg vom klassischen nine-to-five Job in der Steuerkanzlei und hin zu mehr Flexibilität. Zu den bekanntesten Zeitmodellen gehören dabei Gleitzeit, Jahresarbeitszeit, Jobsharing sowie Teilzeitarbeit. Sämtliche Modelle haben sich am Markt bereits mehr oder minder etabliert und bewährt.

Gleitzeit

Die Gleitzeit, sprich „gleitende Arbeitszeit“ ist eines der wohl beliebtesten Arbeitszeitmodelle der Arbeitswelt, denn sie lässt sich einfach umsetzen. So können Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber bspw. festlegen, dass Mo bis Fr zwischen 7:00 und 9:00 Uhr angefangen werden kann, dass die Kernarbeitszeit Mo bis Do von 9:00 bis 15:00 Uhr andauert und die Angestellten freitags bereits um 12:00 Uhr die Arbeit niederlegen dürfen. Während dieser Kernarbeitszeit haben die Angestellten dann Anwesenheitspflicht. Auch wenn sich einzelne Mitarbeiter im Home Office befinden, sind sie während der Kernarbeitszeit dazu verpflichtet, erreichbar zu sein.

Dieses Modell beschreibt die sog. ‚einfache Gleitzeit‘. Bei der ‚qualifizierten Gleitzeit‘ wird die Kernarbeitszeit dagegen entweder reduziert oder ganz abgeschafft, d.h. nur eine bestimmte Stundenanzahl pro Woche/ Monat/ Jahr wird vereinbart. Erfahrungsgemäß lässt sich die ‚einfache Gleitzeit‘ bedeutend einfacher in der Steuerkanzlei umsetzen, denn manche Tätigkeiten erfordern naturgemäß die Anwesenheit der Angestellten (bspw. bei Beratungsgesprächen der Mandanten). Gleichzeitig ist es auch für das Team-Building von Vorteil, wenn alle Angestellten bspw. zur Kaffee-Runde am Morgen anwesend sind. Wichtig ist bei beiden Modellen nur, dass die Arbeitszeitkonten im Blick behalten werden, um zu vermeiden, dass Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter Minus- bzw. eher häufig: Überstunden ansammeln.

Derartige Gleitzeit-Regelungen ermöglichen den Angestellten eine freie Gestaltung ihrer Arbeitszeit und damit eine bessere work-life-balance.

Jahresarbeitszeit

In eine ähnliche Richtung wie die Gleitzeit geht das Modell der Jahresarbeitszeit. Hier vereinbaren Arbeitgeber und Arbeitnehmer in gegenseitiger Absprache das Arbeitszeitvolumen über das Jahr hinweg. D.h. anstelle einer wöchentlichen und/oder monatlichen Stundenanzahl, wird anhand der durchschnittlichen Wochenarbeitsstundenzahl eine Stundenanzahl ermittelt, die der Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin bis zum Ende des Jahres erfüllt haben muss. Bei diesem Modell handelt es sich, ungleich dem Modell der Gleitzeit, um ein relativ junges Arbeitszeitmodell.

Es bietet den Vorteil, dass die Angestellten ihren Tag sehr flexibel gestalten können – sofern sie das Gesamtpensum erfüllen. Und die monatliche Bezahlung bleibt auch dieselbe.

Am ehesten eignet sich die Jahresarbeitszeit für Betriebe, die vorhersehbare saisonale Schwankungen im Arbeitsaufkommen erwarten. Dies trifft auf Steuerkanzleien nur bedingt zu, dass hier in der Regel über das Hinweg konstant Arbeit anfällt, die nicht selten mit Deadlines verbunden ist. Eine Besonderheit, die die Kanzleien in diesem Jahr vor eine Herausforderung stellte (und immer noch stellt) ist die Reform zur Grundsteuer, die den Angestellten zusätzliche Arbeit zum Jahresende bescherte. Unabhängig hiervon ist die Jahresarbeitszeit jedoch in anderen Ländern wie bspw. Italien gängige Praxis, das bspw. der Abgabetermin sämtlicher Steuererklärungen der 30. April ist.

Jobsharing/ Jobsplitting

Da dritte Modell im Bunde ist das Jobsharing, bei dem sich zwei (oder mehr) Angestellte einen Arbeitsplatz teilen, d.h. sie teilen sich sämtliche Aufgaben sowie die Gesamtarbeitszeit. In der Regel werden die Aufgaben, Verantwortungsbereiche und Arbeitszeiten untereinander flexibel festgelegt. Wichtig ist es hierbei, dass sich die Beteiligten regelmäßig über den Status von Aufgaben sowie Fortschritte laufender Projekte informieren, denn nur dann lässt sich das gemeinsame Ziel erreichen.

Das Jobsharing/ Jobsplitting greift damit direkt die allgemeine Tendenz der Gesellschaft auf, eine Teilzeitstelle zu präferieren. Umfrage der Statista zufolge, liegt der Anteil an Arbeitnehmern in Deutschland nämlich ohnehin über dem EU-Durchschnitt.

Vorteil dieses Modell ist, dass Aufgaben nach individuellen Stärken (und Schwächen) verteilt werden können und sich ein besserer Ausgleich im Fall von Urlaub und/ oder Krankheit einstellt. Außerdem passieren durch das vier-Augen-Prinzip tendenziell weniger Fehler. En wenig problematisch ist Jobsharing jedoch für das HR-Team, da sich hier ein höherer Verwaltungs- und Organisationsaufwand einstellt, gleichzeitig ist ein höherer Koordinationsaufwand und mit höheren Lohn- und Nebenkosten als bei einer Vollzeitstelle zu rechnen.

In der Steuerkanzlei lässt sich dieses Modell ebenso umsetzen, wie das Modell der Gleitzeit. So bspw. im Bereich des Sekretariats oder in der Buchhaltung sowie im Qualitätsmanagement.

Teilzeitarbeit

Die Teilzeitarbeit ist, wie im Abschnitt zuvor erwähnt, der Trend im deutschen Arbeitsmarkt. Teilzeitbeschäftigung lässt sich in der Kanzlei dabei ebenso umsetzen, wie in anderen Branchen und Unternehmen. In Kombination mit Gleitzeit-Regelungen und Regelungen was die Kernarbeitszeit betrifft, lässt sich gewährleisten, dass der/ die Angestellte stets zu den vereinbarten Zeiten erreichbar ist.

Zahlreichen Studien zufolge, arbeiten Teilzeitkräfte produktiver und effizienter, als ihre Kolleginnen und Kollegen in Vollzeit. Aus diesem Grund haben wir von der Kanzlei Vellante eine Reduzierung der Arbeitszeit für sämtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vorgenommen. Bei uns arbeiten die Angestellten Mo bis Fr von 08:00 bis 13:00 Uhr, danach herrscht keine Anwesenheitspflicht mehr. Die große Besonderheit bei uns: Teilzeit arbeiten, aber Vollzeit bezahlt werden! Mit diesem Modell fahren wir nun seit einiger Zeit und sind damit sehr erfolgreich – unsere Angestellten haben so mehr Spielraum, ihren Alltag zu gestalten und arbeiten zufriedener.

Fazit

Welches der obigen Arbeitszeitmodelle sich für eine Kanzlei am ehesten eignet, lässt sich nicht pauschal sagen. Je nach Tätigkeitsschwerpunkten und Größe der Kanzlei unterscheiden sich die Möglichkeiten, einer flexibleren Arbeitszeitgestaltung.

Wir können aus Erfahrung sagen, dass sich die Teilzeitarbeit bei uns in der Kanzlei sehr bewährt hat und durchaus als Instrument der Mitarbeiterbindung dient. Auch erweist sich unser Modell als wertvolles Instrument im Kampf gegen den Personalmangel. Deshalb raten wir allen Kolleginnen und Kollegen nur dringend, sich auch über flexiblere Arbeitszeitmodelle Gedanken zu machen!