Elektronische Arbeitszeiterfassung: Wie das EuGH Urteil die Arbeitswelt aufmischt und was jetzt auf Arbeitgeber zukommt


Wie jüngst das Bundesarbeitsgerichts (BAG) entschied, sind Arbeitgeber dazu verpflichtet, ein System einzuführen, mit dem die Angestellten ihre geleisteten Arbeitsstunden erfassen können. Das BAG sich dabei auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) aus dem Jahre 2019. Mit diesem Urteil des BAG ändert sich die im bislang im deutschen Arbeitszeitgesetz verankerte Pflicht, lediglich Überstunden sowie Feiertagsarbeit zu dokumentieren.

Doch was bedeutet das Urteil und die damit verbundene neue Pflicht für Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber? Und wie lässt sich die Pflicht zeitgemäß, also mithilfe digitaler Tools und Softwares umsetzen? Wir haben die Antworten!

Welche gesetzlichen Regelungen stecken hinter dem Urteil?

Grundsätzlich sind Regelungen zur Arbeitszeiterfassung im deutschen Arbeitszeitgesetz, kurz ArbZG verankert. Weitere Verpflichtungen zur Aufzeichnung könnten künftig jedoch auch aus einzelnen Rechtsnormen anderer Gesetze, wie bspw. dem Mindestlohngesetz oder dem Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz kommen. Ebenso bieten auch Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen eine gute Grundlage.  

Wie bereits eingangs erwähnt, hatte der Europäische Gerichtshof bereits 2019 entschieden, Betriebe in der EU müssten künftig ein verbindliches System zur Arbeitszeiterfassung für ihre Angestellten schaffen. Bisher hat sich auf nationaler Ebene jedoch noch keine endgültige Regelung zur Umsetzung des EuGH Urteils im deutschen Recht gefunden. Durch das aktuelle Urteil des BAG wurden nun endlich Eckdaten definiert und eine Norm aus dem Arbeitsschutzgesetz herangezogen, die vorschreibt, dass Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber eine „geeignete Organisation und die erforderlichen Mittel“ bereitstellen müssen, um die Arbeitsschutzvorschriften einzuhalten. Teil dieser Arbeitsschutzvorschriften ist bspw. auch die Einhaltung der Höchstarbeitszeit sowie der täglichen und wöchentlichen Ruhezeiten. Hieraus leitete das BAG die Pflicht für Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber ab, ein System zur Arbeitszeiterfassung einzuführen.

Welche konkreten Änderungen bringt das Urteil des BAG/ EuGH mit sich?

Mit dem Urteil sowohl des BAG als auch des EuGH müssen Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber bundesweit ein System in ihrem Betrieb/ Unternehmen einführen, dass es ihren Angestellten ermöglicht, ihre Arbeitszeit systematisch zu erfassen. Zuvor galt die Dokumentationspflicht lediglich Überstunden sowie Sonn- und Feiertagsarbeit. Das Betriebsverfassungsgesetz, kurz BetrVG, schreibt außerdem vor, dass Betriebsräte in Unternehmen auf die zugunsten der Angestellten geltenden Gesetze und Verordnungen ein Auge behalten, d.h. die Einhaltung Letzterer überwachen.

Da es bisher noch keine weitergehenden Vorgaben von Seiten des Gesetzgebers gibt, wie die Arbeitszeiterfassung konkret stattfinden muss, d.h. ob der Arbeitgeber diese selbst durchführen oder an seine Angestellten delegieren kann, bleibt abzuwarten, wie die Umsetzung in der Praxis konkret aussieht.

Ab wann wird die Arbeitszeiterfassung für alle verpflichtend?

Wenngleich die ausführliche Urteilsbegründung des BAG derzeit noch aussteht, sollten sich Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber bereits heute Gedanken darüber machen, wie sie Arbeitszeiten ihrer Angestellten zu dokumentieren gedenken. Denn nach der europarechtskonformen Auslegung der Arbeitsschutzvorschriften besteht schon jetzt die Pflicht zur Dokumentation der Arbeitszeit – und zwar für sämtliche geleistete Arbeitsstunden.

Gibt es Ausnahmen?

Nein. Denn die deutsche Rechtsprechung unterscheidet nicht zwischen Angestellten im Innen- und Außendienst. Heißt, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer müssen unabhängig vom Arbeitsort ihre Arbeitszeiten erfassen – das gilt auch für Angestellte der Vertrauensarbeitszeit und im mobilen Arbeiten bzw. Home Office.

Welche Systeme zur Erfassung der Arbeitszeit sind geeignet?

Durch den Wandel der Arbeitsgewohnheiten und dem wachsenden Anteil an flexiblen Arbeitszeiten sowie Home Office, sind Systeme, die an die individuelle Arbeitssituation bzw. den Arbeitsplatz angepasst werden können, die primäre Wahl. Dass handschriftliche Stundenzettel eben jenen Anforderungen nicht gerecht werden können ist einleuchtend. Vielmehr sollte auf digitale Tools zur elektronischen Arbeitszeiterfassung eingesetzt werden.

Die folgende Auflistung zeigt, welche digitalen Tools sich für welchen Arbeitsort am besten eignen:

  • Im Unternehmen vor Ort: Zentrales Zeiterfassungsterminal per Chip oder Check-Karte
  • In Unternehmen vor Ort/ im Home Office: Mitarbeiterportal
  • Im Home Office: App für Smartphone/ Tablet
  • Im Außendienst: App für Smartphone/ Tablet

Durch derartige elektronische Systeme, ist eine ortsunabhängige durchgängige digitale Arbeitszeiterfassung in Echtzeit möglich. Gerade für Unternehmen, die bereits an hohes Maß an Flexibilität in ihren Betriebsalltag implementiert haben, bringt der Einsatz derartiger Systeme einen echten Mehrwert – und das sowohl für Angestellte als auch Arbeitgeber. Denn alle Beteiligten erhalten einen transparenten, nachvollziehbaren Einblick in die geleisteten Arbeitszeiten und Tätigkeiten.

Überblick: Das sind die gängigsten Softwarelösung zur elektronischen Arbeitszeiterfassung

Personio: Erfassung der Arbeitszeit über Desktop-Anwendung und App; ist integriert in HR-Software, die weitere Funktionen zur Verwaltung, Recruiting, Controlling u.v.m besitzt

Crewmeister: Erfassung per App; inkl. Schichtplaner; für Unternehmen zwischen 1 und 50 Angestellten

Zep: 3 unterschiedliche Pakete mit je unterschiedlichen zusätzlichen Funktionen; Erfassung anhand einer App sowie an Terminals mit Chips für Angestellte vor Ort

3 Handlungsempfehlungen von Vellante zum BAG/ EuGH Urteil

  1. Machen Sie sich bereits jetzt Gedanken, wie Sie die Arbeitszeiterfassung Ihrer Angestellten künftig handhaben möchten.
  2. Informieren Sie sich über digitale Tools und Softwares und holen Sie sich auch hier professionelle Beratung ein. Im Idealfall von Ihrem Steuerberater, denn einige Tools zur elektronischen Arbeitszeiterfassung verfügen über integrierte Funktionen zur Lohn- und Gehaltsabrechnung sowie Schnittstellen zu DATEV.
  3. Holen Sie Ihre Angestellten ins Boot und bringen Sie in Erfahrung, welche Anforderungen/ Wünsche an das System zur Arbeitszeiterfassung bestehen.